Offline-Experience als Black Box: Warum Marken-Erlebnisse im echten Leben endlich intelligentes Big Data brauchen
Zielgruppen decodieren, Kundenbedürfnisse eruieren, Effizienz messen: Marketing braucht Daten. Doch die suggerieren zugleich eine trügerische Gewissheit. Denn Milliarden Kundenkontakte werden auch heute noch nicht erfasst. Ein Plädoyer von Dr. Marc Schumacher, CEO Avantgarde Group, für einen klügeren Umgang mit Daten.
Marktforschung im Jahr 2023 ist ein Feld, das jeden Zahlenmenschen glücklich machen sollte. Denn Big Data sei Dank, können heute Gigamengen von Daten entlang der digitalen Customer Journey gesammelt und analysiert werden. Von A wie Absatzmarkt bis Z wie Zielgruppe werden unzählige Faktoren gemessen, evaluiert und in Charts gegossen. Zahlen sind deshalb Richtungsgeber geworden für unternehmerische Entscheidungen aller Art.
Denn Zahlen fühlen sich gut und richtig an, sie scheinen über jeden Zweifel erhaben. Quantifizierbare Hinweise auf Kundenvorlieben, Kaufverhalten und Markttrends schenken Marketeers Argumentationskraft und reduzieren Unsicherheiten bei der Entwicklung von Marketingstrategien und -maßnahmen: kein finales Ja ohne vorgeschaltetes A/B-Testing.
Der blinde Fleck in der Offline-Experience
In Zeiten knapper Werbebudgets ist das Streben nach maximaler Absicherung, hoher Effizienz und bestmöglichem ROI von Marketing-Vorhaben absolut verständlich und richtig. Doch zugleich wächst die Versuchung, sich hinter Diagrammen und Prozentwerten zu verstecken und die Entwicklung, Entscheidung und Verantwortung für Konzepte und Kampagnen immer mehr den Zahlenmenschen zu überlassen.
Warum ist das ein Problem? Weil die schiere Menge der erhobenen Daten darüber hinwegtäuscht, dass viele Milliarden Berührungspunkte zwischen Marke und Interessent weiterhin unbeobachtet ablaufen und deshalb auch nicht erfasst werden. Während Sie diese Kolumne lesen, sitzen Millionen Menschen im Zug, gehen durch den Supermarkt oder über eine Messe. Doch ihre Markenerlebnisse, die entscheidend zur Markenbindung beitragen, bleiben unsichtbar, denn nachträgliche Umfragen liefern in der Regel nur Momentaufnahmen und deshalb ein nicht valides Bild. Das große Feld der Offline-Experience bleibt deshalb weitgehend eine Black Box für das Marketing – ein Fakt, der mit überraschender Gelassenheit von der Branche hingenommen wird.
Customer Engagement im realen Raum erfassen
Bei Avantgarde wollten wir uns nicht mit dieser Leerstelle abfinden und haben im Verlauf der letzten Jahre das KI-Tool XPAI entwickelt und optimiert – zum intelligenten Messen von Brand Experience im Rahmen der Live-Kommunikation. Es ist eine Kombination aus smartem Sensor, Künstlicher Intelligenz und einer Datenanalyse-Plattform. XPAI erfasst anonymisiert die Erlebnisqualität von Menschen in realen Räumen wie in einem Store oder auf einem Messestand: Wie und wohin bewegt sich eine Person, wie stark ist sie – positiv wie negativ – involviert? Auch Geschlecht und das ungefähre Alter der Menschen kann XPAI datenschutzkonform erfassen.
Ein aus den erhobenen Daten entwickelter Experience Score dient als Maßstab für die Qualität von Offline-Kundeninteraktionen und Erlebnissen in physischen Räumen – und bietet dem Marketing die Chance, beides zu verbessern und sogar zu personalisieren. XPAI kam bei der diesjährigen OMR und bei der IAA zum Einsatz; auch der Porsche Brand Store in Stuttgart setzt auf die neue Technologie.
Big Data darf Kreativität nicht ersetzen
Doch trotz neuer technischer Möglichkeiten dürfen wir nicht vergessen, dass Zahlen auch immer das Potenzial zum Kreativitätskiller besitzen. Die Künstliche Intelligenz kann viel (und jeden Tag mehr), allerdings zählen Intuition und Out-of-the-Box-Denken bislang nicht zu ihren Kernkompetenzen. In dem, was wir als Bauchgefühl und Kreativität bezeichnen, verbinden sich Innovationsdrang, Spieltrieb und Begeisterung mit langjähriger Erfahrung – und kreieren im besten Fall Marketingideen, die eine Marke auf ein neues Level katapultieren können.
Manchmal müssen Marketeers einfach mal machen – ohne Zahlen, Daten und Fakten als Stützkorsett, sondern einfach, weil sich eine Eingebung neu, gut und richtig anfühlt. Ob das dann tatsächlich so ist, können anschließend Messverfahren wie XPAI & Co. belegen: intuition und Kreativität plus Big Data und Künstliche Intelligenz – das ist das Erfolgsrezept im Marketing.